O du fröhliche
(Ev. Gesangbuch, Nr. 44)
Heiligabend. Der Gottesdienst in der überfüllten Kirche neigt sich dem Ende zu.
Die Gemeinde erhebt sich, der Weihnachtssegen wird gesprochen. Ein Moment
der Stille tritt ein. Dann erklingt die Orgel – kraftvoll und freudig. Und ohne
Vorspiel stimmen die Menschen „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende
Weihnachtszeit“ an.
Jedes Jahr ist dies ein ganz besonderer Moment, ein heiliger Moment. „Wenn wir
das „O du fröhliche“ gesungen haben, dann ist es für mich richtig Weihnachten
geworden“, so kann man es oft hören. Und ich kann alle verstehen, die so
sprechen.
Fröhliche und Traurige, Junge und Alte, Arme und Reiche, Fromme und
Zweifelnde, alle stimmen ein in diesen wunderbaren Weihnachtshymnus am
Heiligen Abend.
Doch im Jahr 2020 geht das nicht. Aufgrund der Corona-Pandemie dürfen viel
weniger Menschen zum Gottesdienst in die Kirche. Und der gemeinsame Gesang
ist auch ausgebremst, wenn überhaupt gesungen werden darf. Und auch hier im
Haus ist alles anders, kleiner und bescheidener und deshalb für manche von uns
auch ein eher trauriger Heiligabend.
Doch genau aus dieser Gefühlslage will uns das Lied, dessen Urform und erste
Strophe von Johannes Daniel Falk stammt, herausreißen. Vier seiner sieben
Kinder hatte er durch eine Typhusseuche verloren. Doch Johannes Daniel Falk
ließ sich nicht unterkriegen und gründete in Weimar das „Rettungshaus für
verwahrloste Kinder“. Den dort aufgenommenen Kindern widmete er vermutlich
1815 den Text von „O du fröhliche“ und verband ihn mit einer alten Melodie aus
Sizilien, von der eine leichte, tänzerische Unbeschwertheit ausgeht.
„Welt ging verloren.“ Das hatten die Kinder aus dem Heim schon in jungen
Jahren erlebt, und auch Johannes Daniel Falk hatte am eigenen Leib erfahren
müssen, wie schwer und traurig das Leben sein kann. Doch umso heller der
Schein, der mit der Geburt Jesu alle Dunkelheit erhellen will. „Welt ging verloren,
Christ ist geboren, freue, freue dich o Christenheit.“
Das ist es, was Johannes Daniel Falk den Kindern mitgeben möchte. Das ist es,
was auch uns heute gilt.
Mitten in der Nacht, die auch für alle Dunkelheit in unserem Leben steht, steht
der Stern über dem Stall, erklingt der Engel Jubel über den Feldern, machen sich
die Hirten auf, um nach dem Kinde zu sehen.
Auch wenn wir heute nicht kraftvoll einstimmen dürfen, können wir es doch in
uns klingen lassen: „Himmlische Heere jauchzen dir Ehre: Freue, freue dich, o
Christenheit.“
Wir beten:
Gott, es ist Heiligabend geworden. In dem Kind Jesus bist du Mensch geworden,
auf dass wir eine Hoffnung haben dürfen, die alle Dunkelheit erhellt. Schenke uns
und allen Menschen in der Nähe und Ferne ein frohes und gesegnetes
Weihnachtsfest. Lass den Jubel der Engel in uns klingen und erfülle uns mit der
Hoffnung der Hirten, die zum Stalle kamen.
Amen.
Christian Holtz
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